Was (oder wer) ist ein Gourmet?
von Peter Züllig
Irgendwann glaubte ich – nach dreissig, vierzig Jahren – nun doch zu einem guten Teil ein „Wahlfranzose“ zu sein. Zwar habe ich meinen mitunter fast unverständlichen helvetischen Akzent nie abgelegt und über die französische Bürokratie kann ich mich heute noch so ärgern, als erlebte ich sie zum ersten Mal. Zwar trage ich das Baguette (sekundäres Geschlechtsmerkmal des französischen Mannes) konsequent nach Hause, lese jeden Morgen im „Midi Libre“ - nebst Lokalem - vor allem Unfälle und Verbrechen, verstehe die Flut von Abkürzungen im Journal noch immer nicht und ich bin unglücklich, wenn der Mann – oder seine Frau – im „Tabac“ saisonbedingt keine Zeit für einen kleinen Schwarz hat.
Eines aber fehlt mir – und das ist für den echten Südfranzosen entscheidend – die Liebe zum Rosé. Zwar trinke ich im Sommer – wenn die Sonne brennt und der Tramontane (Wind) den Schweiz sofort
wegwischt (so dass man bei strahlendem Wetter sogar kühl hat) – liebend gern einen Rosé. Doch schon am Abend – wenn wir einmal ins Restaurant gehen – offenbaren sich die Fremden unter den
Heimischen. Wir bestellen – zu einem guten Essen (selbst zu Fisch) – konsequent einen Roten. Inzwischen habe ich mich sogar an die scheelen Blicke des Kellners oder Kellnerin gewöhnt. Ich bin
halt „nur“ ein Sonnen-Rosé-Trinker und kein echter Gourmet.
Und dann dies!
Die Tafel dürfte hundert Jahre alt sein und soll Weinkultur dokumentieren in einem kleinen Weinmuseum der Auvergne. Zuerst habe ich mich getröstet: die Auvergne ist halt kein bekanntes und kein grosses Weingebiet. Dann habe ich die Schrift ganz rechts unten entdeckt: „Cadenat FR“. Cadenat ist Vorhängeschloss, kann aber – glaube ich – eine altertümliche Bezeichnung für den Schlosser sein. Der hat wohl diese schöne Werbetafel gemacht. Aber was dann kommt – die Herkunftsbezeichnung –, die mich wohl erschreckt. Béziers ist die Stadt in meiner Nähe (wenn ich in Frankreich bin), gleichsam mein „Wahlheimatort“. Dies hat mich ins Grübeln gebracht. Rosé soll der Wein der Feinschmecker sein. Unglaublich, diese Behauptung – die erst noch aus einer Weinregion stammt, die überwiegend vom Rotwein geprägt ist!
Seither bin ich verunsichert. Ich irre bei der Bestellung im Restaurant auf der Weinkarte unruhig hin und her: Soll ich nun von meinen Prinzipien abweichen und doch einen Rosé bestellen? Zum Grill – ich bin ein Grillfan – gehört da nicht ein Rosé – vor allem bei leichterem mariniertem Fleisch, Salaten, Huhn, Fisch, knusprigen Baguettes – um den Grillabend vollkommen zu machen? Meine innere Unsicherheit geht so weit, dass ich seither die Regale beim Weinhändler auch nach Rosés absuche und im Restaurant mich schäme,
einen Roten zu bestellen.
Die Nagelprobe: drei Rosés von drei von mir sehr geschätzten Winzern (natürlich aus dem Langeudoc): Pierre Clavel: „Mescladis“; Cazal Viel: Rosé und Gérard Bertrand: „Autrement“. Die drei haben mich gelehrt: Rosés nicht nur am Strand – namenlos, en Vrac (Fasswein) – gern zu haben, sondern Rosés auch als (selbsternannter) Gourmand zu akzeptieren (und geniessen). Sie zu beschreiben, wage ich – nach meiner Vergangenheit in Skepsis – (noch) nicht, spätestens aber dann beim nächsten rosigen Weinrallye. Vielleicht werde ich eines Tages halt doch noch ein (halber) Wahlfranzose.
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