In eigener Sache... (Kolumne). Dritter Teil ab Dezember 2020

14. Mai  2023

 

Blasentee

von Peter Züllig

 

«Hausmittel bieten eine Möglichkeit, um zur Heilung beizutragen. Folgende Tipps können dabei helfen, diese positiv zu beeinflussen: Viel trinken, Wärmflasche, Sitzbäder, Cranberry-Saft, möglichst keine Zitrus-Säfte keinen Kaffee und kein Alkohol» Ob dies auch hilft bei Filterblasen? Oder müssen da weit stärkeren Mitteln eingesetzt werden? Können Filterblasen überhaupt so früh erkannt werden, dass sie ohne Biotika aufgelöst oder wenigstens erträglich zu machen sind? Ich bin kürzlich in eine dieser «Filterblasen, meist als «Bubble» bezeichnet, hineingeraten, ohne es zu merken. Es tat auch nicht weh. Im Gegenteil: ich habe mich schrecklich wohlgefühlt. Erfahrungen, neue Erfahrungen unter Gleichdenkenden, Gleichredenden, Gleichhandenden, Gleich…

Die Schicht um solche Blasen ist vorerst dünn und reisst rasch. Doch - mit  zunehmender Belastung - wird sie stark, dicht und bald einmal undurchlässig. Sie dient dann als Schutzwall zwischen aussen und innen, zwischen Eigenem und Anderem… In diesem Fall – ich habe mich mit einigem Aufwand selbst hineinmanövriert – wurde es mir zu eintönig, zu langweilig, zu harmonisch. Die Haut entpuppte sich (von aussen angegangen) als zäh, zwar nicht abweisend, aber auch nicht einladend. Die Blasenbewohner waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Das Fremde muss deshalb fremd – also draussen – bleiben. Der Filter tut seine Wirkung. Er dient der Erhaltung der Blase. Informationen werden dann zugelassen, wenn sie mit den Ansichten der (grösstenteils kleinen) Blasen-bevölkerung übereinstimmen. Das Fremde könnte einen «Sturm» auslösen (also die gegenteilige Wirkung einer Blase haben) und die selbst gewählte Ruhe stören. Es gibt immer mehr solche Klein- und Kleinstblasen: «Bubble»-Grüppchen aller Art. Nicht erst seit Corona, vielmehr seit die aufgerichteten «Filter» durch Algorithmen (künstliche Intelligenz) nahezu unbemerkt und beliebig zu manipulieren sind. Da hilft leider kein Blasentee zur Heilung, nicht mal Antibiotika.                                                                                   (257)       

03. Mai  2023

 

Kultur im Netz

von Peter Züllig

 

Die Mehrheit der «jungen Generation» geht mit dem Netz so um, wie die älteren Menschen einst mit Feder und Papier, mit Büchern und Post, mit Telefon und Radio, mit… Dies gilt für viele Bereiche des Alltags, auch für das, was man unter kulturellem Interesse zusammenfassen kann: Öffnungszeiten, Reservationen, Billette, Einkauf im Museumsshop, Informationen, Dokumentationen… Vieles davon ist (teilweise oder ganz) ins Internet abgewandert. Und da haben ältere Menschen (im Warengeschäft nennt man sie «Kunden») immer mehr Schwierigkeiten. Denn viele Websites von kulturellen Organisationen sind kompliziert, ungenügend, oft fehlerhaft (und fehleranfällig),  mitunter auch schwer zu bedienen. Ich bin den Umgang mit dem Netz gewohnt (eigene Website), zwar nicht mehr ganz so schnelle und auch nicht mehr bereit, viele meiner persönlichen Daten preiszugeben. Ein Beispiel: Ich interessiere mich für eine Ausstellung (und ein damit verbundenes Buch) und will mich rasch orientieren und die Publikation kaufen. Zuerst geht alles mühelos und rasch, dann aber wird es umständlich, unlogisch und lückenhaft. Einfachste Informationen (wie Zugang, Öffnungszeiten, Örtlichkeiten…) müssen auf den Seiten akribisch gesucht werden. Im Online-Shop geht mir dann die Geduld aus. Nach längeren Anmeldeprozedur landet schliesslich das aktuelle Buch im «Einkaufskorb». Preis (wie offizielle vermerkt) 38.00 CHF (zusätzlich 7.00 CHF Porto). Ich will den Kauf «auslösen». Jetzt streikt der Computer: «502 Bad Gateway). Nach mehreren Versuchen und «ergoogelten» Ratschlägen gebe ich es auf. Meine Reaktion auf den Ärger: Anwahl des Online-Shops einer grossen Buchhandlung. Nach wenigen (einfachen) Manipulationen ist das Buch bestellt und bezahlt: 32.40 CHF (Heimlieferung ohne Portokosten). Ergebnis: 12.60 CHF Ersparnis und zwei verlorene Stunden auf Irrwegen der Website einer kulturellen (subventionierten) Institution.                                                                                (256)              

24. April  2023

 

Hof des Friedens

von Peter Züllig

 

Oase der Ruhe und des Friedens, der Hoffnung und der Erinnerung. Gemeint ist der Friedhof. Ein Ort, aber auch eine Institution, wo so ziemlich alles geregelt ist: der Platz, der Standort, die Grösse, die Anordnung, das Verbotene, das Erlaubte, die Kosten, die Nutzung… Kurzum: ein Abbild der Gesellschaft, die auch das regelt, was das Leben zurückgelassen hat. Das ist wenig, kann aber auch viel sein. Wenig, was den Menschen und seinen Körper betrifft. Oft mehr, sogar viel, mitunter sehr viel, was an Eigentum (zu Lebzeiten) an den Körper gebunden wurde. Meist rechtlich verbrieft oder gesetzlich geregelt durch das Erbrecht. Trotzdem wird um alles, was als materiell verwertbar ist – wie unglaublich viel gestritten, häufiger noch erst in privaten Kriegen geregelt. Bleiben noch Spuren und Werke  «des Geistes», etwas pathetisch ausgedrückt: die Seele: Sie verflüchtigt sich rasch, viel rascher als alle materiellen Werte (sofern sie nicht materiell gesichert werden konnten, zumindest auf eine bestimmte Zeit). Der Tod – man mag es wahrhaben oder nicht – zwingt eben zur Bilanz. Äusserlich erkennbar, ablesbar auf dem Friedhof. Dieser wandelt sich, passt sich dem Zeitgeist an. Die Gräber werden kleiner, ja sie verschwinden immer mehr. Auch der Tod wird noch getilgt, so schnell wie möglich ausgemerzt: Feuerbestattung, Naturbestattung, Windbestattung, Baumbestattung, Gemeinschaftsgrab… Der Hof entvölkert sich, auch vom Geist, von der Erinnerung, vom Andenken. Die Denkmäler (Grabsteine) werden zu «Oasen der Ewigkeit». Das Leben ist vorbei, also soll auch der Tod im Hof (des Friedens) nicht weiterleben.                  (255)       

06. April  2023

 

Raubritter

von Peter Züllig

 

Es soll ein Mythos sein, die Legende des hochedlen Ritters, der im späten Mittelalter durch die Lande zog, mit eiserner Faust plünderte, verroht und verarmt, im Krieg um Land, Reichtum und Ehre gebracht. Raubritter. Sie haben – zumindest im Sprachgebrauch – überlebt, bis heute. Wo gezockt und geplündert wird, Anstand und Moral verloren gehen, da sind «Raubritter» unterwegs. Zwei Begriffe werden da – fast schon zwingend - miteinander verknüpft: Raub und Ritter. Der Adel bediente sich einst der «Ritter», gepanzerten Reitern, die sich dem Kampf um Geld, Ruhm und Ehre stellten und dafür in den «Ritterstand» (niedriger Adel) erhoben wurden. Doch wenn die Siege ausblieben, die erwarte Beute fehlte, da wurde gestohlen und geraubt: eine Kombination von Diebstahl und Nötigung. Kein Wunder, dass sich das mittelalterliche Bild des Raubritters bis heute erhalten hat. Der Adel entfaltet sich nicht mehr aus dem Blut, sondern aus dem Geld. Das Schwert – die Gewalt – wird ersetzt durch «Boni», vertuschte Habgier. Was dabei vergessen wird, das ist die Kehrseite des Ritters, die Tugend, gekleidet in Begriffe wie "mâze" (Mässigung), "milte" (Freigiebigkeit), "zuht" (Anstand), "manheit" (Tapferkeit), "êre" (ritterliches Ansehen, Würde). Dem Alt- oder Mittelhochdeutsch sind Raubritter von heute kaum je begegnet, auch wenn diese in der Sprache unserer Zeit ganz anders klingen: etwa wie «moderation», «generosity» «decency». Dafür ist im modernen Raubrittertum kein Platz.                                                                                        (254)                    

24. März 2023

 

Verschwörung

von Peter Züllig

 

Corona hat sie nicht geschaffen, vielmehr hochgespült, die Erzählungen – auch Narrative genannt – rund um Ursachen und Wirkungen, um (mehr oder weniger) geheime Kräfte und Theorien, um bewusste, systematische Zerstörung und Heilslehren aller Art. Es sind Theorien, die Unfassbares fassbar machen und Schuldige präsentieren, Die auch fassbar sind, weil sie einen Namen haben, eine Adresse, meist auch mehr Geld (als andere), mehr Macht (in bestimmten Bereichen), auch viel vermeintliches Wissen (mehr als andere) und scheinbar die Durchsicht. Daraus entsteht – vorwiegend im Umfeld von Verunsicherung und Angst – ein seltsames Gebräu aus geheimen Mächten, negativen Kräften und abstrusen Behauptungen (die sich nicht beweisen lassen), aber – sofern man ihnen glaubt – plausible Erklärungen bieten. Verschwörungstheorien! Sie entstehen wie aus dem Nichts, ähneln sich aber über Jahre, Jahrzehnte, ja Jahrhunderte. Geschlachtete und verzehrte Säuglinge gehören genauso dazu, wie Absprachen (früher hinter dem Ofen, in verschlossenen Stuben), als auch (heute) implantierte Chips, unheimliche (nicht sichtbare) Strahlen und zerstörerische Wipes. Es treten Experten auf, zuhauf, welche ihre Mixt-Getränke bewirtschaften, grösstenteils rhetorisch geschickt, häufiger noch ideologisch verankert, begleitet von eher stillen, schwärmerischen Fans und lautem (Kuhglocken-) Geläut.. Ob Pandemie, Krieg oder Naturkatastrophe, das Verschwörung-Narrativ bietet immer Linderung                                                                                                           (253)      

14. März 2023

 

Abmelden

von Peter Züllig

 

In unserer Familie zirkuliert eine kleine Geschichte: In einem militärischen WK hat ein Soldat seinen Standort kurzfristig verlassen, weil sein Kamerad dringend Hilfe brauchte, um ein Geschütz zu positionieren. Als er zurückkehrte, wurde er vom Offizier angeschnauzt: «Warum haben Sie sich nicht abgemeldet?» Der Soldat: «Ich habe gedacht, es ist…» Der Offizier: «Pionier X., weniger denken, mehr abmelden!» Seither hat das «Abmelden» ein besonderes Gewicht bei unserem Verhalten. Es steht Denken oft im Weg. Tatsächlich wird «abmelden» immer häufiger zum Problem. Wie, wo und wann kann, muss man sich abmelden, sobald man nur die kleinste Verpflichtung eingegangen ist. Vielleicht nur mit einem kleinen Klick am Computer auf das Kästchen mit der Bezeichnung «einverstanden?» Dahinter lauert fast immer das berüchtigte «Kleingedruckte». Und schon hat man – rechtlich gesehen – einen Vertrag unterschrieben. Es wird viel, eigentlich alles getan, um das «Abmelden» zu erschweren. Der Zauberlehrling scheint omnipräsent zu sein. Versteckte, oder keine erkennbaren Ausstiegsmöglichkeiten sind fast schon die Regel. Nicht selten mit Verpflichtungen, die darauf abzielen, den Verstand auszuschalten und mitunter auch recht kostspielig sein können. Mit offenen Toren (und schönen Worten) wird man empfangen, aber auf holprigen, unwegsamen Pfaden entlassen. Heute leider der gängigste Geschäftstrick. Grund genug, dem Rat des Offiziers doch zu folgen: «Weniger denken, mehr abmelden!» Noch besser: «Mehr denken (sich orientieren, erkundigen) und weniger anmelden.»                                                                                            (252)            

28. Februar 2023

 

Früher

von Peter Züllig

 

Ein Begriff, der für die einen rettender Anker, für andere der wahre Horror ist. Mit dem Wort  verbindet sich – gewollt oder ungewollt – meist eine Kernbotschaft. Etwa die: «Da war alles besser!» Ab und zu auch: «es war viel schlechter». Ich ertappe mich selber, das harmlos (doch ominöse) Wort oft zu verwenden, jetzt im Alter immer häufiger. Dabei habe ich mir gelobt, es – wenn ich einmal alt sein werde – gründlich aus dem Sprachschatz zu streichen. Früher war dies kein Problem, das «Früher» noch nicht alt und das Später weit weg. Eigentlich ist «Früher» kein zeitlich undefinierter, ja zeitloser Begriff, der nur eine Richtung anzeigt: nämlich zurück. Zurück, in das, was gewesen ist oder in der Erinnerung gewesen war. Doch in der Erinnerung vermischen sich Wunschdenken und Realität, Gefühltes und Erlebtes, Erhofftes und Verdrängtes, als wäre all das (und noch viel mehr) in einem Mixer zu einem Brei zusammengeführt worden. Zu einem Mixt-Produkt, das die Etikette «Früher» trägt. Ein pauschales Urteil lässt da nicht lange auf sich warten: Es war halt damals (eben früher) besser oder schlechter. Nur eines steht fest: Gleich war es nie, das lehrt die Erfahrung. Sie hat uns beigebracht: Der Augenblick – das Jetzt – ist nie so, wie das Vorher und auch nicht wie das Nachher, das Gestern nie so wie das Morgen. Die Erinnerung schafft daraus Werte, die wir gern vergleichen, meist um das «Jetzt» erträglicher zu machen. Da das «Früher» immer tiefer in mich einzudringen scheint, rette ich mich mit dem Gedanken an ein «Früher, das anders war.»                                                                                    (252)         

17. Februar 2023

 

TV-Rennen

von Peter Züllig

 

Wer kann wen austricksen? Privatfernsehen ist anstrengend, besonders bei unendlich langen Produktionen im Hauptprogramm der Privatsender. Zum Beispiel bei «Wer wird Millionär?» (RTL), einer Erfolgssendung, die seit 12 Jahren (in der Regel am Montag) ausgestrahlt wird. In der heutigen Fassung fast drei Stunden, unterbrochen (nebst den News um 22.15 Uhr) von mindestens 6 Werbeblöcken. Das sind nicht «Blöcklein», vielmehr massige Blöcke, die gebetsmühlenmässig immer wieder die gleichen Botschaften wiederholen, mit den gleichen Bildern, den gleichen stupiden Aussagen, oft mit einem penetranten Originellseinwollen.  Das zerrt an den Nerven, an der Freude am Fern-Sehen. Es gibt ein probates Mittel, diesen mutwilligen Werbe-Störungen auszuweichen. Die Sendung zeitversetzt anzuschauen: gute halbe Stunde nach Sendebeginn wird das Programm gestartet (also zeitversetzt). Dies soll zwar in naher Zukunft unterbunden werden (und ist ohnehin nicht bei allen Anbietern möglich!) Nach etwa zwanzig Minuten startet das eigentliche Rennen. Werbung gegen Zuschauerinnen und Zuschauer. Dann legt sich nämlich der erste Werbenebel über das Programm: geschlagene 8 Minuten lang. Den Nebel überspringen, zum Wiedereinstieg ins Programm. Dieses Prozedere wiederholt sich immer wieder (etwa nach zwanzig Minuten). Nach knapp zwei Stunden ist das Rennen gelaufen. Eingeholt! Die Zuschauer sind live dabei und können nur noch wegschauen, nicht mehr wegschalten was sie nicht wünschen. Höchste Zeit, den Fernseher abzuschalten. Die Bilanz des verhinderten Zeitdiebstahls: auf knapp 90 Minuten Programm entfallen mehr als 30 Minuten abgewehrte Werbung. Also ein Verhältnis von 3 zu 1. Ein Rennen, das mehr Ärger bereitet, als Spass macht.                                                                            (251)       

05. Februar 2023

 

Sturheit

von Peter Züllig

 

Sturheit gibt es überall, auch dort, wo «Mobilität» auf der Fahne steht. Zum Beispiel auch bei «Mobility», dem löblichen Unternehmen, das seit rund 25 Jahren Carsharing anbietet und ein wichtiger und effizienter Player in Bezug auf Umweltverträglichkeit sein kann. Schon seit der Zeit der Anfänge – Ende der 90er Jahre – bin ich mit einem Abonnement mit dabei, obwohl ich die Dienste wenig nutze und es sich noch in keinem Jahr ausbezahlt hat. Auch während der Corona-Zeit, wo allein schon die Möglichkeit der Nutzung reiner Luxus war. Gut 20 Jahre Solidarität und Unterstützung eines Gedankens, den ich für fortschrittlich halte. Nun aber ist – für mich – aus Altersgründen fast Schluss mit Autofahren. Also kündige ich – nach gut zwanzig Jahren – mein Abonnement samt Zusatzversicherung für Haftungsreduktion. Leider ein paar Tage zu spät, denn wer weiss nach so vielen Jahren den Vertragstermin. Die Rechnung kommt viel schneller, als das Ausfüllen der Austrittsformalitäten: Ein Jahr weiterbezahlen (inklusive Zusatzversicherung), so steht es im Vertrag. Wo kämen wir auch hin, wenn jeder machen würde, was er will, schon gar nicht vom Vertrag abweichen. Alte Kunden sind nicht gefragt, nur neue: «Ohne monatliche Kosten stehen dir während 3 Monaten über 3'000 Autos in der ganzen Schweiz zur Verfügung. Los geht's!» So die steht es in der Werbung. Beim Austritt ist dies anders. Da wird «Mobility» mit Kunden-Ferne oder eben «Sturheit» übersetzt.  (250) 

27. Januar 2023

 

S’Buebetrickli

von Peter Züllig


Wer Eishockey schon gesehen oder gespielt hat, kennt das «Buebetrickli». Es ist ein Spielzug, mit dem man den «Goalie» (Torwart) überlistet, indem der Puck von hinten um den Torpfosten geschoben wird. Weil die Aufmerksamkeit des Goalies vor allem nach vorne, auf das Spielfeld gerichtet ist, kann so mühelos ein Tor erzielt werden. Natürlich weiss das auch der Goalie, und ist entsprechend «auf der Hut» (Er macht den kleinen Raum dicht, zwischen Torstange und Schoner). Eine vergleichbare Situation erleben wir im Alltag. Da müssen wir fast dauernd Goalie spielen, um nicht (um buchstäblichen Sinn) Tore zu kassieren. Auf dem Spielfeld des Alltags tummelt sich der Angreifer, in Form von Werbung, der versucht möglichst viele Tore zu erzielen. Die Verteidigung (in Form von Vorschriften und Gesetzen), die dem «Goalie» eigentlich beistehen sollte, wird ausgetrickst oder/und ist zu schwach. Ein Tummelfeld, das «Buebetrickli», kennen und nutzen Angreifer bestens. Beispiele: Ohne schriftliche Kündigung (bis dann und dann…) läuft das Abonnement, der Vertrag, die Lieferung… weiter. Selbst die SBB nutzt diesen Trick bei der Erneuerung des  GAs (Generalabonnement) (besonders perfid für älteren Menschen, die halt mal etwas vergessen oder übersehen). Im Internet sind die «Buebetrickli» allgegenwärtig: Der Ausstieg (meist mit einem X markiert) ist nicht zu finden oder so gelegt, dass man ihn kaum sehen kann. Das Wort «gratis», fettgedruckt, klein und ganz verschämt: "nach den ersten … Tagen oder Wochen, kostet es ...pro Monat, pro Jahr..." Websites von Anbietern, auf denen alles zu finden ist, nur nicht, wie man aus der einmal gewählten Abhängigkeit wieder aussteigen kann. Das «Buebetrickli» gehört längst zu den Spielzügen im Alltag.                                                                           (249)

18. Januar 2023

 

Wenn der Bock zum Gärtner wird

von Peter Züllig

 

Dies ist nicht nur eine geläufige Redewendung, viel öfter eine Scheinlösung für anstehende Probleme. Besonders häufig angewendet auf dem politischen Parkett. Nicht nur in der Schweiz. Da auch, immer wieder, in allen Gremien, bis in den Bundesrat. Doch für einmal ist der Bock ein Ausländer, Maire (Bürgermeister) einer grossen Gemeinde. Es ist einer dieser gewählten Mannen und Frauen, die bei öffentlichen Amtshandlungen die Trikolore-Schleife tragen, mit goldener Quaste, streng reglementiert von der rechten Schulter zur linken Seite, ein Symbol der Macht und Würde. Es geht in dieser Kolumne aber nicht um eine politische Ausrichtung: rechts, links, irgendwo dazwischen oder daneben. Es geht um die Verödung der Dorf- und Stadtzentren. Ein Phänomen, das immer mehr beunruhigt, erschreckt und längst die ganze Region erfasst hat. Als Folge einer Politik, die auf Wachstum und Grösse ausgerichtet ist. Da muss etwas geschehen, meinen jetzt auch die Politiker. Sie gründen – mithilfe des Staates – eine hochoffizielle Institution zur «Revitalisierung der Zentren in Gemeinden und Städten». Eingesetzt als Präsident ist – wohl von Amtes wegen – jener Bürgermeister, der die grösste Trikolore trägt, also am meisten Macht und Würde verkörpert und «sein» Stadtzentrum in seinen drei Amtsperioden tüchtig veröden liess. Das jüngste Vermächtnis seiner Wachstums-Politik (noch immer im Bau): gigantische Türme, Kolosse für Luxusappartements (zu kaufen ab 265`000 Euro, die bescheidensten, ohne Meersicht). Moderne Monster, die das Siedlungszentrum nicht nur überragen, sondern erdrücken und bald einmal überwuchern werden. Und der Bock steht da (zwar ohne Trikolore, im eleganten, smarten blauen Anzug). Jetzt ist er der Gärtner, der es zu richten hat.                                       (249)      

03. Januar 2023

 

Wau, wau!

von Peter Züllig

 

Ob Sonnenschein oder Regen, Wind und Wetter, Kälte und Hitze… sie sind immer mal unterwegs, meist gesittet, an kurzer Leine, am Wegrand. Dann aber – am Rand der Wiesen und Wälder – oft auf Trampelpfaden – werden sie losgelassen, damit sie das tun können, was sie eigentlich tun möchten, Hund sein. Die Autos ihrer Stiefeltern stehen – Tag für Tag – zu fast allen Zeiten – etwas abseits vom Verkehr, auf meist kleinen, unbenutzten Plätzchen, dort wo ein Fussweg abzweigt, oder die Strasse in weiser Voraussicht für späteren Ausbau, etwas breiter wird. Es sind Merkzeichen der Zivilisation – mitten in eher wenig begangenen Landschaften. Merkzeichen, die immer wieder Farbe und Form, Grösse und Statur ändern. Von der prächtigen Limousine bis zum bescheidenen Mini. Wenn es Kalt und Nass wird, die Äcker, Strässchen oder Wiesen aufgeweicht oder schmutzig sind, finden aufwändige Rituale statt, bis die Lieblinge – die wieder nach Hause gebracht werden müssen – möglichst sauber und trocken – verstaut sind, und zwar unter Berücksichtigung vorgegebenen Bestimmungen für die Verkehrssicherheit. Da auch ein Hund die Abwechslung liebt – so jedenfalls argumentieren ihre Stiefeltern – wechselt das Bild des lokalen Hundetourismus von Tag zu Tag: mal rot, mal blau, mal auffällig pink, mal in bescheiden dunklen Farben… Unregelmässig, aber in einem schlecht abzuschätzenden Rhythmus, wiederholen sich die Prozesse. Man kennt sie bald einmal, die fremden Kinder und ihre Stiefeltern. Und sei es nur am vertrauten täglichen Wau, Wau.               (248)         

17. Dezember 2022

 

Hallo Leben!

von Peter Züllig

 

Mit gedämpfter Heroldstimme vorgetragen, untermalt mit Musik, begleitet von triumphalen Bildern: «Momente für die Ewigkeit!» Keine theatralische Szene im Gottesdienst, keine Aufforderung die Augen zum Himmel zu erheben, kein Kommentar zu göttlicher Inspiration. Vielmehr finale Aussage in einem Werbespot am Fernsehen. Erst noch wiederholt, wiederholt, wiederholt in allen «kurzen Pausen» von sportlichen Leistungen. Da kann sich der nächste Spot nicht zurückhalten und empfiehlt, der Logik angepasst: «Vergiss das Schwitzen – geniesse das Leben!» Apropos Leben. Was soll man mit ihm tun? Natürlich: «Das Leben leben!» Höchste Zeit, es auch zu begrüssen: «Hallo Leben!» Nachgeschoben eine ultimative Selbsterkenntnis der Werber: «erfinden, erschaffen, um alles etwas besser zu machen». Ist das der «neue Alltag», den uns die Werbung verheisst? Da wird im nächsten Spot unverblümt verlangt; «Poste neue Flexibilität!» Aber wo soll ich sie «posten»? In den immer pathetischeren, hohleren, nichtssagenden Werbe-Slogans wohl kaum. Da geht es fast nur noch um das Grosse, das «Leben», um «Ewigkeit», um «lichte Höhen». «Hallo Inspiration!», «Hallo Verstand!               (247)           

09. Dezember 2022

 

Beamten

von Peter Züllig