"Talk extra" in Holzkirchen (Bayern)  2019

08. April 2019

 

Theater:

 

Talk extra

 

Kultur im Oberbräu
                                                  Fools Theater in Holzkirchen (Bayern)

"Talk extra" ist ein spannendes, lehr-reiches, vor allem aber ein vergnügliches Spiel. Was sich wie ein "Klamauk" präsentiert, ist mitunter bitterernst, sogar böse und unglaublich treffsicher: Satire eben, in all ihren Elementen: Spott, Ironie, Kritik. Vier Menschen, die einst im Mittelpunkt es öffentlichen Interesses standen, entlarven sich selber, bis hin zur Lächerlichkeit. Es wird mehr angedeutet - als ausgesprochen. Dies verlangt von den Theaterbesuchern ein ordentliches Mass an Kenntnissen der Geschichte, der Kultur, der so unterschiedlichen Biografien und der vielen Geschichten, die über die verblasste Prominenz "schon immer weitererzählt" wurden. 

Den Auftakt macht die bayrische "Saftwurzel" Ludwig Thoma (1867-1921), selber lebenslang ein Zyniker, ein Spötter, einer der die Scheinmoral seiner Zeit schonungslos geisselt (sein wohl berühmtestes Werk: ist "Moral", ein derb-saftiges Lustspiel, das die "Verfehlungen"  des Präsidenten eines "Sittlichkeitsvereins"  zum Thema hat. Ludwig Thoma, eine schillernde Persönlichkeit, dem Bier, den Frauen und den Fehlern der anderen zugetan, es selber aber mit der Aufrichtigkeit nicht allzu ernst nimmt (der Herr Doktor der Jurisprudenz trägt den Titel zu unrecht) und der im Alter seine links liberale Ansichten (er war Redaktor des Satire-Blatts "Simplizissimus) gründlich revidiert und während und nach dem Ersten Weltkrieg zum Kriegsbejubler wird.

Natürlich musst der erste Gast schon beim nächsten Auftritt "getoppt" werden, durch den "meistgelesenen Schriftsteller deutscher Sprache", Karl May (1842-1912).Er kommt zwar als Western-Held auf die Bühne, mit Henrystutzen im Arm aber so gar nicht in Old Shatterhand-Pose. Vielmehr als larmoyanter, von der Öffentlichkeit gejagter, tragischer "Lügenbold", der es mit der Wahrheit noch weit weniger genau nimmt, als der erste Talk-Gast, Bayer, hier mit Heimvorteil. Diese Begegnung (die beiden haben sich offensichtlich im Jenseits nie getroffen) muss ja zum Eklat führen. Der Talk ist getoppt, 

also gerettet. Soviel männliches Getue kann ja nur noch mit Sex und Frivolitäten "getoppt" werden. Dies vermag Lola Montez (1821-1861), die Mätresse des Königs Ludwig i., durchaus zu bieten. Sie plaudert genüsslich - unterstützt von viel Champagner - von ihren Liebschaften. 1846 von der Pariser Halbwelt als männerbetörende Tänzerin nach München gekommen, hat sie gleich den König ins Bett gezogen, einen Skandal nach dem anderen ausgelöst, die Bayrische Staatsbürgerschaft erhalten und sie ist als "Gräfin von Landsfeld"  jetzt auch geadelt, jedenfalls so lange, bis sie unter den Augen der "aufgebrachten Bevölkerung" in die Schweiz flüchtet. Wenn das kein Stoff für einen "Talk extra" ist. Doch auch das kann noch 

"getoppt" werden.  Durch einen berühmten Gelehrten, der sich vor allem mit der Psyche,  mit dem Unterbewussten im Menschen befasst hat, Professor Doktor Sigmund Freud (1856-1939), der in gewurbelten Sätzen, das zu erklären sucht, was unerklärlich ist: das Unbewusste im Menschen und die  unergründliche Tiefe der Sexualität. Verirrt und verloren in seiner eigenen Deutung von Träumen, soll er sich jetzt einem Millionenpublikum erklären, argwöhnisch umringt und infrage gestellt, von eine Prominenz, die mit ihm längst ein Stück des Jenseits teilt, angestachelt von der Moderatorin, die  nun auch den Skandal als "getoppt" betrachtet. Damit ist ein Phänomen der aktuellen Fernseh-landschaft ist vollständig entlarvt.

Natürlich bin ich wegen Karl May nach München gereist. (wer hätte dies gedacht?) Ihn wollte ich (auf der Bühne) sehen, als Figur, als Relikt aus einem anderen Jahrhundert, als Interpretation einer Legenden, mit der ich mich nun seit Jahren befasse. In der letzten Zeit sind immer wieder, der Mensch, der Schriftsteller, die gespaltene Persönlichkeit - und 

nicht nur seine Figuren, seine Helden - ins Rampenlicht gezerrt worden. Irgendwie - so scheint mir - sind Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi, Winnetou, Hadschi Halef Omar und Co. ausgelotet, ausgepresst und ausgespielt.
Nun wird auf "den Mann gespielt", der dies alles erfunden, das May'sche Kosmos geschaffen hat, auf den Schriftsteller, den Vielschreiber, die "tragische Persönlichkeit".
Schon vor fünf Jahren in Dresden auf der Bühne der Semperoper in "Raum der Wahrheit" , 2017 dann in Philippe Stölzls Inszenierung von "Leben und Sterben des Dr. Karl May" (Schauspielhaus Dresden), ein Jahr später in Möbig im "Theater im Bunker" 

(Nähe Wien) das Stationentheater "Die erschwindelten Lebensreisen des Zuchthäuslers Karl May" - das Stück wird diesen Sommer wieder aufgenommen - und jetzt in der Lustspielsatire "Talk extra" in Holzkirchen (Nähe München).
In dieser Reihe von Produktionen kann sich das kleine Theater in Holzkirchen (ca. 80 Plätze) durchaus behaupten. "Talk extra" zeigt brillantes Theater, geistreich, amüsant, entlarvend und und vor allem nicht banal. Es ist nicht die übliche Ausschlachtung der Widersprüchlichkeiten des Lebens im Lustspiel, es ist auch nicht eine blosse Aneinanderreihung von kleinen Geschichten aus der grossen Geschichte des Lebens.. Es ist der vergnügliches Theater, das witzig ist, so direkt und laut wie ein bayrischer "Theaterstadel", trotzdem aber nicht im Ulk erstickt, vielmehr zur Besinnlichkeit führt. Das grösste Lob gebührt  - nebst den Schauspielern - Gerhard Loew, dem "Münchner Turmschreiber" ("Grattleroper"), der im FoolsTheater in Holzkirchen seine "Hausbühne"  hat. Es ist zu hoffen, dass das Post-May'sche-Stück nicht nur acht Mal (bis zum 31. April 2019) aufgeführt worden ist, sondern auch andere Kleinbühnen erobern kann. 

06. März 2018

 

„Talk Extra“ mit Verstorbenen

 

Theater im "Oberbräu" in Holzkirchen (Bayern)
mit Karl May, Ludwig Thoma, Montez  und
Sigmund Freud

(Bild: Freies Landestheater in Bayern)
(Bild: Freies Landestheater in Bayern)

Eine Talkshow im Theater bei der nicht die die üblichen Politiker oder B-Promis zu Wort, sondern historische Persönlich-keiten: Ludwig Thoma, Karl May, Lola Montez und Professor Sigmund Freud. Die illustre Talkrunde wird kunstvoll moderiert und nur mühsam im Zaum gehalten von einer jungen TV-Lady, die mitunter auch in etwaige Verfehlungen der vier hinein stichelt.
Hier Schauspieler, Termine, Tickets

(Bild: Merkur.de © Andreas Leder
(Bild: Merkur.de © Andreas Leder

Hier zwei Theaterbesprechungen:

Münchner Merkur (online):
Wenn Ludwig Thoma mit Lola Montez talkt

"...Karl May (Henry Sepulveda) sorgt mit sächsischem Dialekt für viele Lacher mit Aussagen wie „Meine Bücher stehen ja noch heute in allen Regalen, davon tue ich aber heute nix mehr haben. Vorwärts immer, rückwärts nimmer...“

Ein geistreiches, herrlich komisches Talk-im-Theater-Event. Eine explosive Mischung höchst unterschiedlicher Charaktere… Dieses ungewöhnliche Stück von Gerhard Loew behandelt ein Phänomen der aktuellen Fernsehland-schaft: Talk im …, Talk am …, Talk um … – Talk auf allen Kanälen....

SA 09.03. um 20 Uhr  -  SO 10.03. um 18 Uhr  -  DO 14.03. um 19.30 Uhr

SA 23.03. um 20 Uhr  -  SO 24.03. um 18 Uhr  -  DO 28.03. um 19.30 Uhr 

SO 31.03. um 18 Uhr  -  SO 31.03  um 18 Uhr     (Hier Termine, Besetzung und Tickets)

 

Geistreiche Unterhaltung mit dem Fools-Ensemble. (Foto: Karin Sommer)
Geistreiche Unterhaltung mit dem Fools-Ensemble. (Foto: Karin Sommer)

kultur vision aktuell:

Explosive Talkshow mit Verstorbenen

"...Das Stück aus der Hand von Gerhard Loew ist das, was den meisten Talkshows fehlt. Es ist geistreich, hat Wortwitz, basiert auf einer gründlichen Recherche und unterhält auf höchstem Niveau. Die mitwirkenden Schauspieler sind die perfekte Besetzung, lassen die Figuren aus der Vergangenheit lebendig werden und zeigen ihre Ecken und Kanten. Sie wecken die Sehnsucht nach Menschen, die zeigen, wer sie sind anstatt alles daran zu legen, der Kamera und den Zuschauern dahinter zu gefallen..."